Barry White ist nicht nur in der Soul und Disco Szene ein bekannter Name. Es handelt sich bei Barry White um einen der bekanntesten und erfolgreichsten Musiker des letzten Jahrhunderts, mit 100 Millionen verkauften Tonträgern weltweit. Weniger bekannt ist, dass Barry White nicht nur als Sänger, sondern auch als A&R (Artist & Repertoire, Entdecker von Künstlern) tätig war. In dieser Funktion nahm er Anfang der 70er Jahre einige Künstler unter Vertrag. Einer dieser Künstler ist die Soul Sängerin Gloria Scott.
Ihre einzige Platte „What Am I gonna do“ erschien 1974 und ist heute ein begehrtes Sammlerobjekt. Das Album gilt unter Kritikern als eines der besten Soul Alben seiner Zeit, ein „Masterpiece“.
Im April diesen Jahres hatte ich die Gelegenheit Gloria anlässlich des 10. Baltic Soul Weekenders zu interviewen.
Gloria erscheint in ihrem „Stage-Outfit“, sie wird in einer knappen halben Stunde ihren Auftritt haben. Es werden nicht weniger als 4.000 Fans sein, die jeden ihrer Songs mitsingen können.
Zu Beginn ist Gloria sehr nervös, sie es ist nicht gewohnt, dass man sie auf der Straße erkennt, oder gar Bilder mit ihr machen will. Am Tag zuvor hatte sie sich während der Eröffnungsfeier unter die Besucher gemischt und kaum stand sie 5 Minuten unter den Zuschauern, blieb sie nicht lange unentdeckt und die ersten Selfies und Autogramme wurden gegeben. Spaßeshalber fügt sie hinzu, dass sie vielleicht in Europa leben sollte, hier kennt man sie.
Es sammeln sich tränen in ihren Augen, sie sagt, dass das für sie sehr emotional ist. Ihr war seiner Zeit nicht bewusst wie besonders ihr Album klingt, dass es heute von Kritikern als Zeitlos bezeichnet wird.
Gloria Scott wurde am 16. Feb. 1940 in Port Arthur Texas als zweites von 9 Kindern geboren. Ein wichtiger musikalischer Einfluss in ihrer Kindheit war ihre Mutter, Gloria sagt über sie:“ Sie sang Gospel mit Sam Cooke und den Soul Stirreres. Entschied sich aber dann eine Familie zu gründen und beendete daher ihre Professionelle Gesangskarriere“. Gloria arbeitete in ihren Teenager Jahren mit Sly and the Family Stone und war ebenfalls ein Mitglied der Ikettes. Zu dieser Zeit sagt Gloria „Es war immer ein Traum von mir, Sängerin zu werden. Als Sly Stone DJ in der Bay Area in San Francisco war, war er der erste, der mich in ein Aufnahmestudio nahm. Wir nahmen dort unter anderem auch den Song „I taught Him“ auf“. Als Gloria Scott & The Tonettes, I Taught Him (Part I & II) veröffentlicht wurde, war Gloria gerade 17 Jahre alt. Ihr Lebensweg, eine Karriere im Musikbusiness schien ihr vorbestimmt zu sein. Gloria bezeichnet Tina Turner als einen weiteren großen Einfluss “Sie war so gut zu mir“. Und überließ ihr auch öfter die Lead-Stimme in den Songs. Aber auch Gloria sagt, dass es nicht einfach war mit Ike zu arbeiten “Ike war sehr streng“. Daher führte eins zum anderen und nach einem verpassten Bus zu einem Auftritt in Housten, kündigte Gloria. Ihr damaliger Manager Blanchard Montgomery vermittelte ihr daraufhin einen Kontakt zu Sunny Chaney (Songwriter und Mitglied der Coasters). Dieser Kontakt sollte zu einer schicksalhaften Begegnung führen. Sunny stellte ihr Barry White vor, dessen Büro damals direkt am Sunset Boulevard lag. Barry wollte gerne einige ihrer Songs, die sie geschrieben hatte hören. Er war so begeistert, dass er sie direkt unter Vertrag nahm. Von da an hätte es eigentlich nur Berg auf gehen sollen. Sie hatte einen Vertrag bei einem der angesagtesten Produzenten/Sänger der 70er Jahre. Und genau diese Tatsache sollte auch später zu ihrem größten Problem werden. Barry White nahm ihr erstes Album komplett auf Cassette auf und wollte, dass Gloria es genauso interpretierte wie er. Und was soll man sagen, dass Ergebnis „What Am I gonna do“ spricht für sich und wird meiner Meinung nach zu Recht als ein zeitloser Klassiker angesehen. Ein zweites Album wurde aufgenommen, es sollte unter anderem die Songs, There is No Cure For Me, Is It Really True Boy (wurde später von Love Unlimited und Danny Pearson aufgenommen), I’ve Got To Have All Of You, Just as long as we together beinhalten.
Letzterer wurde ein Hit. Am Abend als dieser Song aus der Feder von Vance Wilson und Thomas Anderson entstand, erinnert sich Gloria, meinte Gene Page „Let`s make little Gloria a Hit“. Eine Ausstrahlung des Songs folgte bei Soul Train. Gloria über ihr zweites Album ”Die Songs waren wirklich gut, genauso gut wenn nicht sogar besser als die auf dem ersten Album. Wenn ich mich richtig erinnere, war auch ein anderer Arrangeur beteiligt. Ich glaube es war H.B. Barnum”. Alle Zeichen standen auf Go, nur um Gloria wurde es sehr ruhig. Trotz mangelnder Promotion, konnte Sie einen Hit und ein solides Album vorweisen und das innerhalb eines Jahres. Was war passiert? Barry White startete genau zu dieser Zeit voll durch (sein erstes Album als Sänger erschien 1973). Seine Alben mit dem Love Unlimited Orchester und seine eigenen Alben gingen durch die Decke. Barry White hatte schlicht keine Zeit mehr, sich um die Künstler zu kümmern, die er unter Vertrag hatte. Gloria sagt, dass es immer nur um Barry bei der Platten Firma ging, da er der Star war. Daher sieht sie es heute kritisch, wenn ein Produzent gleichzeitig auch ein Main-Act ist. Ein ähnliches Schicksal wie das von Gloria ereilte auch die Sänger Jay Dee und Danny Pearson.
Da Gloria einen Vertrag mit Barry White und nicht direkt mit dem Label Casablanca, für das Barry unter anderem auch produzierte hatte. Konnte sie sich auch nicht an das Label direkt wenden um etwas Neues zu machen. Rückblickend sagt Gloria, dass sie damals vielleicht auch noch nicht bereit war. Und so zogen die Jahre ins Land. Hal Davis vermittelte ihr zwischenzeitlich Studio Sessions bei Motown, wo sie für Mary Wilson als Background Sängerin eingesetzt wurde. Eine, wie sie jetzt sagt, sehr frustrierende Zeit für sie. Gegen Anfang der 80er Jahre hielt es Gloria nicht mehr aus und konnte nach 6 Jahren ihren Vertrag mit Barry White beenden. Danach arbeitet sie unter anderem auch mit Johnny Otis und lebte 8 Jahre in Guam. Zu diesem Zeitpunkt erinnerte sich niemand mehr an die Sängerin die Jahre zuvor einen Hit hatte. Gloria Scott sollte in der Versenkung verschwinden und schwierige Jahre vor sich haben. Für die nächsten 30 Jahre würden sich vielleicht Soul Liebhaber hin und wieder an sie erinnern, aber wirklich Fuß fassen sollte sie nicht mehr im Musikbusiness. Laut ihrer Aussage dachte sie, sie wäre vergessen. Aber inzwischen gibt es eine neue Generation Fans, die sich für die Soul Musik der 70er interessieren und denen ihr Album über das Internet, Bekannte oder den Plattenhändler empfohlen wurde. Des Weiteren wurde ihr Album bereits in der dritten Auflage auf CD Veröffentlicht. Auch Nachpressungen auf Vinyl (5. Auflage) finden reißenden Absatz. Von dem Geld aus diesen Verkäufen sieht Gloria keinen Cent, sie sagt dass sie wohl damals einen für sie sehr nachteiligen Vertrag unterschrieben hat. Und so hält sie sich mit kleinen Auftritten, der Anfertigung von Schmuck und Nebenjobs über Wasser.
So sollte ihr Schicksal aussehen, dachte zumindest Gloria, bis ein Freund einen Kontakt zu jemandem aus London vermittelte der sehr gerne ein Interview mit ihr führen wollte. Diese Person war David Cole, der ihr Interview in seinem Magazin ‘In The Basement’ veröffentlichte. Gloria hoffte, dass dieser Artikel etwas bewirken würde und ihre Karriere vielleicht wieder ans Laufen bringen könnte.
Und in der Tat, Gloria sagt heute über das Interview mit David „So viel hat sich geändert seit wir das letzte Mal gesprochen haben. Er ist ein toller Mensch!“ Sie hat nun mehrere Auftritte übers Jahr verteilt, einer ihrer letzten war im Mai in Sacramento.
Unsere Zeit ist um, der Wagen wartet um Sie zum Konzert zu fahren.
Daher nutzt Gloria die letzten Minuten um sich bei ihren Fans für die lange Treue zu bedanken und kündigt gleichzeitig ein neues Album für nächstes Jahr an. Es sollen dort die Songs in Neuaufnahmen erscheinen, die sie bereits 1974 für ein zweites Album eingespielt hatte. Leider sieht es nicht so aus, dass das 1974 fertig produzierte Nachfolge Album in naher Zukunft erscheinen wird, geschweige denn wo die Bänder verblieben sind. Wobei ein Track aus der Session für das zweite Album, auf einer Barry White Compilation (Unlimited) erschienen ist.
Es gibt also noch Hoffnung das Album irgendwann mal so zu hören, wie es 1974 gedacht war.